«Methoden sind unabdingbar fürs selbstständige Lernen»

von Jennifer Zimmermann - 22 September 2023
Illustration eines Kindes, das schreibt.

Was können Methoden im Deutschunterricht und darüber hinaus leisten? Wer profitiert wann und wie davon? Ein Gespräch mit Ruth Gschwend, der Fachexpertin «Methoden» für das Lehrmittel «Deutsch» sowie ehemalige Dozentin an der PH FHNW.

Frau Gschwend, was ist eine Methode?
Methoden sind Handlungsanweisungen, die den Schülerinnen und Schülern mitgegeben werden, um bestimmte Aufgaben zu lösen. Dabei helfen ihnen die Methoden, sich ein Wissen und auch ein Können anzueignen.

Was ist der Unterschied zwischen «Wissen» und «Können»?
Sie sind als die beiden Seiten einer Kompetenz zu verstehen. «Wissen» bedeutet, dass ich weiss, wie ich eine Aufgabe lösen muss. Es geht also um die Methodenkenntnis. «Können» bedeutet wiederum, dass ich eine Methode tatsächlich anwenden kann. Zusammenfassend könnte man sagen: Methoden machen sichtbar, wie sprachliche Kompetenzen erworben werden können.

Was können Methoden im Unterricht leisten?
Im Idealfall sind sie beim Lernen ein hilfreiches Instrument für Schülerinnen und Schüler. Ein Ziel ist, dass die Methoden am Ende der 9. Klasse weitgehend selbstständig angewendet werden können.

«Im Idealfall sind Methoden beim Lernen ein hilfreiches Instrument für Schülerinnen und Schüler.»

Wie kann man sich das vorstellen?
Im Nachschlagewerk zum Lehrmittel «Deutsch» für die Sekundarstufe I sind 20 verschiedene Methoden vereint. Die Methoden und die darin beschriebenen Kompetenzen basieren auf dem Lehrplan 21. Nehmen wir als Beispiel die Methode «Texte hören und verstehen». Das ist eine grundlegende Kompetenz, die alle im Leben brauchen. Diese Methode wird bereits ab der 1. Primarstufe in vereinfachter Form eingeführt, aufgeteilt auf die beiden Methoden «Sich auf das Zuhören vorbereiten» und «Das Gehörte sichern». Schülerinnen und Schüler sollen lernen, wie sie aufmerksam zuhören können und nachher wissen, was sie gehört haben. Als Methode «Texte hören und verstehen» wird sie in den weiteren Klassen ausdifferenziert und in der Sekundarstufe I mit der Methode «Notizen machen» ergänzt. Das heisst, die Methode zieht sich als roter Faden durchs Lehrmittel und ermöglicht dabei zyklisches Lernen.

Welche Schülerinnen und Schüler können besonders von Methoden profitieren?
Hier liegt eine gewisse Krux. In der Regel sind schwächere Schülerinnen und Schüler mehr auf Methoden angewiesen, weil sie weniger wissen, wie sie eine Aufgabe anpacken sollen. Für sie ist es wichtig, dass eine Methode in kleineren Schritten und möglichst einfach erklärt wird. Kleinschrittige Anleitungen brauchen aber wiederum mehr Text. Die goldene Mitte ist gesucht. Das heisst: So viel wie nötig, so wenig wie möglich. Stärkere Schülerinnen und Schüler brauchen Methoden vielfach weniger, da sie selbst auf kreative Lösungswege kommen.

Wie finden Sie die goldene Mitte, was die Methodenbeschreibungen angeht?
Ein Merkmal von Methoden ist wie gesagt, dass sie portionierbar sind. Das heisst, es gibt oft Anleitungen zu Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung der Sprachhandlung. Dies bedeutet wiederum, dass sie in ein schrittweises Vorgehen heruntergebrochen werden können. Schwächere Schülerinnen oder Schüler müssen nicht zwingend jeden Schritt einer Methode auf einmal erlernen. Auf diese Weise können Methoden auf verschiedene Bedürfnisse angepasst werden. Ein Beispiel: Bei der Methode «Informationen in Sachtexten erkennen und ordnen» können das Erkennen und Ordnen aufgeteilt werden. Dabei werden beim Erkennen bekannte Techniken wie Markieren und Randnotizen machen erlernt und beim Ordnen verschiedene Möglichkeiten wie Tabelle, Mindmap und Zeitstrahl.

«Die Methoden sind portionierbar und transferierbar. So können unterschiedliche Bedürfnisse abgedeckt werden.»

Zeichnen sich Methoden durch weitere Merkmale aus?
Ja. Methoden sind transferierbar. Sie können auf zunehmend schwierigere und komplexere Inhalte angewendet werden und bleiben dabei in den Grundzügen gleich. Die erwähnte Methode «Notizen machen» kann später auch bei schwierigeren Texten, bei Vorträgen, Filmen oder Telefonaten hilfreich sein. Es ist eine Methode, die die Schülerinnen und Schüler sozusagen fürs Leben lernen.

Was sind mögliche Folgen, wenn man solche Kompetenzen nicht beherrscht?
Manche Kompetenzen sind sehr anspruchsvoll zu erlernen. So beispielsweise die Methode «Notizen machen», wie schon angetönt. Kann das eine Person nicht, verunmöglicht das oft, dass sie in weiterführenden Schulen und im Berufsleben Gehörtes und Gelesenes effizient verarbeiten kann.

Zur Person

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Ruth Gschwend ist Fachexpertin «Methoden» und «Beurteilung» für das Lehrmittel «Deutsch». Sie studierte Pädagogik, Germanistik und Publizistik an der Universität Zürich und unterrichtete als Fachdidaktikerin Deutsch in der Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen an der PH FHNW sowie an der PH Zug. Ihre Schwerpunkte sind Lese- und Literaturdidaktik, Literatur und Medien sowie Deutsch als Zweitsprache.


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