Hürden beim Deutschlernen: BKSM

von Karin Keller - 04 November 2025
Bunte Wolke aus Wörtern der verschiedenen Sprachen

Ausgehend vom Handbuch «Deine Sprache – meine Sprache» zeigen wir Stolperfallen auf, die Fremdsprachige beim Deutschlernen haben können. Heute widmen wir uns dem Bosnischen, Kroatischen, Serbischen und Montenegrinischen (BKSM).

Die Sprachen Bosnisch, Kroatisch, Serbisch, Montenegrinisch sind eng verwandt. Nachdem die Länder Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Serbien und Montenegro selbstständige Staaten wurden, erlangten sie den Status eigenständiger Standardsprachen. Sie werden von rund 21 Millionen Menschen gesprochen, wovon etwa 6 bis 7 Millionen ausserhalb der genannten Länder leben.

Die vier Sprachen werden bisweilen unter der Abkürzung «BKSM» zusammen untersucht. «BKSM» ist eine Bezeichnung, die in der Linguistik genutzt wird, aber nicht unumstritten ist. Wer die Eigenständigkeit der Sprachen betonen möchte, verwendet sie nicht. In diesem Beitrag nutzen wir sie, da wir uns aus linguistischer Perspektive mit den Sprachen auseinandersetzen. Die Linguistik spricht aufgrund der engen Verwandtschaft der Sprachen auch von «Sprachvarietäten» und nicht von «Sprachen».

Eine Illustration zeigt eine Frau, die vor Milchpackungen steht. Die Milchpackungen sind je mit Mijeko und Mleko angeschrieben. Die Frau hat Fragezeigen über ihrem Kopf.
Mlijeko oder Mleko? In der Aussprache unterscheiden sich die vier Sprachen.

Im Nachschlagewerk «Deine Sprache – meine Sprache» werden die Besonderheiten von «BKSM» ausgeführt und in Bezug zum Deutschen gesetzt. Es richtet sich an Lehrpersonen sowie an Personen, die beruflich oder privat mit Kindern und Jugendlichen nichtdeutscher Erstsprache zu tun haben (siehe Box).

Die Charakteristik von BKSM

Bosnisch, Kroatisch, Serbisch und Montenegrinisch gehören zu den südslawischen Sprachen. Sie sind bezüglich der grammatikalischen Strukturen und des Wortschatzes zu über neunzig Prozent identisch.

Der grösste Unterschied der vier Sprachen liegt in der Aussprache: Hier unterscheidet man zwischen der ekavischen und ijekavischen Aussprache. Als Beispiel:

  • Die Milch: mleko (S), mlijeko (BKM)

  • Der Übergang: prelaz (SM), prijelaz (BK)

Diese beiden Formen wurden in die Standardsprache aufgenommen, es existieren aber weitere, die wiederum in verschiedene Dialekte aufgeteilt werden können.

Während Kroatisch und Bosnisch mit dem lateinischen Alphabet geschrieben werden, nutzen Serbisch und Montenegrinisch sowohl das lateinische als auch das kyrillische Alphabet.

Tabelle aus: «Deine Sprache – meine Sprache». Darin wird ein Beispielsatz der Fremdsprache gezeigt und Wort für Wort ins Deutsche übersetzt.
Tabelle aus: «Deine Sprache – meine Sprache». Darin wird ein Beispielsatz der Fremdsprache gezeigt und Wort für Wort ins Deutsche übersetzt.
  • Man unterscheidet drei Geschlechter, erkennbar anhand des Auslauts: Maskuline Nomen enden meiste auf einen Konsonanten, neutrale auf -e oder -o, feminine auf -a. Es gibt jedoch eine Gruppe femininer Nomen, die auf einen Konsonanten enden. Die Deklination erfolgt über sieben Fälle: Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ, Vokativ, Instrumental, Lokativ. Es gibt weder einen bestimmten noch unbestimmten Artikel.

  • Adjektive sind dem Nomen vorangestellt und richten sich nach dem Geschlecht des Nomens. Die Steigerung erfolgt analog dem Deutschen mit Komparativ und Superlativ, wobei der erstere mit Hilfe von Endungen, der zweitere mit dem Präfix naj- gebildet wird (čist, čistiji, najčistiji: sauber, sauberer, am saubersten).

  • Das Hilfsverb für die Perfektbildung ist immer «sein». Unterschieden wird zwischen perfektiven und imperfektiven Aspekten (abgeschlossene Handlung vs. nichtabgeschlossene, fortlaufende bzw. sich wiederholende Handlung).

  • Es wird immer das Verb, nie das Nomen verneint (nemam vremena: ich nicht habe die Zeit / ich habe keine Zeit). BKMS kennt die doppelte Negation, die im Deutschen nicht existiert.

  • Der Satzbau ist freier als im Deutschen, da die Beziehungen der Satzglieder eindeutiger durch Endungen markiert sind. Dabei gelten zwei Faustregeln: 1. Ein Satz darf nie mit dem Hilfsverb oder Reflexivpronomen beginnen, 2. Hilfsverben, Reflexivpronomen, Kurzformen von Personalpronomen etc. (sog. Enklitika) müssen an der zweiten Stelle im Satz stehen.

Häufige Sprachhürden beim Deutschlernen

Die oben genannten Merkmale von Bosnisch, Kroatisch, Serbisch und Montenegrinisch machen klar: Es gibt für Muttersprachlerinnen und Muttersprachler, die Deutsch lernen, einige Dinge zu beachten. Welche das sein können, wird hier aufgeführt – exemplarisch und nicht abschliessend.

  • Ä, ö, ü sind in «BKSM» genauso unbekannt wie die Unterscheidung zwischen h und ch. Diphthonge würden als zwei Buchstaben gelesen, auch das Dehnungs-h würde als eigener Laut ausgesprochen. Dies muss erlernt werden, ebenso die Aussprache von sp- und st- am Wortanfang.

  • Schülerinnen und Schüler, die im Herkunftsland alphabetisiert wurden, müssen ihnen unbekannte Buchstaben wie ä, ö, ü, ch, sch, tsch, q, w, x, y sowie die Diphthonge lernen. Auch Buchstaben, die einen anderen Lautwert haben, müssen geübt werden. Mögliche Normverstösse: Sprahe/Schprahe (Sprache), Zone (Sonne), Ojle/Oile (Eule) usw.

  • Unsicherheiten entstehen auch beim Geschlecht der Nomen und deren Pluralformen sowie bei der Verwendung des bestimmten und unbestimmten Artikels und der Frage, wann Artikel weggelassen werden sollen/dürfen.

  • Gelernt werden muss die Verwendung von «sein» und «haben» bei der Bildung des Perfekts wie auch die verbale Klammer. BKSM-Verben verlangen oft andere Präpositionen und Fälle als die deutschen, auch das muss eingeübt werden.

  • Die Position der Enklitika und der Verben im Haupt- und Nebensatz sorgt mitunter für Verwirrung und erklärt negative Transfers wie «Er hat gesagt, dass er wird kommen zu mir.», «In der Schule ist möglich (zu) kennen lernen viele Kinder.»

Deine Sprache – Meine Sprache

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«Deine Sprache – meine Sprache» möchte zur interkulturellen Verständigung bei der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen beitragen. Es bietet einen gut verständlichen Einblick in die Struktur und Eigenheiten der 20 häufigsten Migrationssprachen in der Schweiz und in die mit ihnen verbundenen Schwierigkeiten beim Deutscherwerb. 

Poster: Hasenreime in 15 Sprachen

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Poster mit illustrierten Hasenreimen in 15 Sprachen. Das Poster kann in 15 Postkarten, A6, ausgeschnitten werden.

Dem Poster sind 8 Blätter mit Übersetzungen und Aussprachehilfen beigelegt.


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