
Ausgehend vom Handbuch «Deine Sprache – meine Sprache» zeigen wir in dieser Blogserie auf, welche Schwierigkeiten Fremdsprachige beim Deutschlernen haben können. Wir stellen die häufigsten Migrationssprachen vor, heute steht Thai im Fokus.
Für 50 bis 70 Millionen Menschen ist Thai die Muttersprache – die Zahl variiert je nach Definition (siehe weiter unten). Die meisten Thaisprachigen leben auf thailändischem Staatsgebiet, weitere sind als Wanderarbeiter und Migrantinnen in Ostasien, den Golfstaaten, in Nordamerika, Australien oder Europa ansässig. In der Schweiz leben rund 9300 Personen mit Erstsprache Thai.
Im Nachschlagewerk «Deine Sprache – meine Sprache» werden die Besonderheiten der Thaisprache ausgeführt und in Bezug zum Deutschen gesetzt. Es richtet sich an Lehrpersonen sowie an Personen, die beruflich oder privat mit Kindern und Jugendlichen nichtdeutscher Erstsprache zu tun haben (siehe ganz unten).
Thai ist eine tonale Sprache. Das bedeutet, dass jede Silbe in einem vorgegebenen Ton ausgesprochen wird und ein Wort so seine Bedeutung erhält. Thai kennt fünf Töne: mittel, tief, fallend, hoch, steigend. So hat das Wort «mai» je nach Ton unterschiedliche Bedeutungen:
Meile (mittel)
Neu (tief)
Nicht (fallend)
Umgangssprachliches Fragewort (hoch)
Seide oder Fragewort (steigend)
Thai gehört zu den isolierenden Sprachen – jedes Wort existiert nur in der Grundform, es gibt weder Konjugation noch Deklination. Damit ein Satz verständlich ist, ist es deshalb zentral, die Wortreihenfolge einzuhalten. Thai ist weitgehend monosyllabisch, sehr viele alltagsrelevante Begriffe sind einsilbig. Wörter aus den Bereichen Ethik, Religion, Philosophie, Wissenschaft, Verwaltung etc. sind hingegen oft mehrsilbig.
Es gibt verschiedene regionale Dialekte in Thailand, eine Besonderheit ist die Isan-Sprache Nordostthailands, welche je nach Perspektive als thailändischer oder laotischer Dialekt gilt. Das erklärt die eingangs erwähnte Spanne bei der Anzahl Muttersprachler.

Geschlecht, Artikel, Kasus und Gross-/Kleinschreibung bei Nomen sind unbekannt. Das Thai kennt hingegen sogenannte Klassifikatoren, die grammatikalische Funktionen beim Zählen und bei der Spezifizierung durch Demonstrativpronomen und Ordnungszahlen erfüllen. Die Klassifikatoren widerspiegeln oft eine buddhistische Sichtweise auf die Welt und sind weit entfernt von europäischen Vorstellungen.
Die Anwendung der Pronomen hängt vom sozialen Kontext und von Hierarchien ab. Auf Thai gibt es sehr viele Möglichkeiten, über Personen zu sprechen, teilweise durch Pronomen, teilweise durch Namen, Verwandtschaftsgrade oder Berufsbezeichnungen.
Adjektive werden direkt an die Nomen und Pronomen angefügt und können unterschiedliche Bedeutungen verleihen («dek lek» kann «ein kleines Kind» oder «das Kind ist klein» bedeuten). Komparativ und Superlativ werden durch das Anfügen von Partikeln gebildet.
Verben kommen nur in der Grundform vor. Die zeitliche Einordnung geschieht durch Hilfsverben und Partikel. Dies ist jedoch fakultativ und wird lediglich als Erklärung genutzt, wenn die Grundform zu unpräzise scheint.

Es ist klar: Thai unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht vom Deutschen. Entsprechend kann es beim Deutschlernen zu Unsicherheiten und Schwierigkeiten kommen.
Die Aussprache bereitet insbesondere bei folgenden Lauten Mühe: Auslautende Zischlaute wie beispielsweise in «nass» oder «Matsch», die Buchstaben r und l im Anlaut sowie Konsonantenhäufungen. Im Thai wird zwischen direkt aufeinanderfolgenden Konsonanten meist ein kurzes a gelesen. Dies wird auf die deutsche Sprache übertragen und resultiert in Fehlern wie «ka-napp» statt «knapp».
Das deutsche Alphabet muss gelernt werden, da Thai in einer anderen Schrift geschrieben wird und Menschen mit Erstsprache ein für sie neues Schriftsystem lernen müssen. Die Rechtschreibung muss von Grund auf eingeführt werden.
Nomen werden im Thai völlig anders behandelt als im Deutschen. Die Verwendung der Nomen – mit Artikeln, Geschlecht, Deklination – muss entsprechend erklärt und gelernt werden.
Wie oben erwähnt unterscheidet sich auch die Verwendung von Pronomen fundamental vom Deutschen. Daraus ergeben sich vielschichtige Fehlerquellen. Die Unterscheidung von er/sie/es in der 3. Person Singular ist unbekannt in Thai, deshalb kann das Geschlecht verwechselt werden, wenn Deutsch gesprochen wird.
Die Konjugation und Zeitsetzung von Verben, wie sie im Deutschen vorkommt, existiert in der thailändischen Sprache nicht in dieser Form. Dies muss gründlich eingeführt werden. Auch das Passiv muss erlernt werden, da die meisten Sachverhalte auf Thai aktiv formuliert werden.
Ein thailändischer Satz braucht nicht zwingend ein Verb, was beim Deutschlernen zu Normverstössen wie «sie schön» oder «Deutsch nicht einfach» führt. Auch andere Besonderheiten in Bezug zur Satzstellung bereiten Mühe – mit «wir noch nicht essen» kann ein Thai sowohl «wir essen noch nicht» oder «wir haben noch nicht gegessen» meinen.

«Deine Sprache – meine Sprache» möchte zur interkulturellen Verständigung bei der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen beitragen. Es bietet einen gut verständlichen Einblick in die Struktur und Eigenheiten der 20 häufigsten Migrationssprachen in der Schweiz und in die mit ihnen verbundenen Schwierigkeiten beim Deutscherwerb.

Poster mit illustrierten Hasenreimen in 15 Sprachen. Das Poster kann in 15 Postkarten, A6, ausgeschnitten werden.
Dem Poster sind 8 Blätter mit Übersetzungen und Aussprachehilfen beigelegt.