«Die Suche ist das, was mich weiterbringt»

von Jennifer Zimmermann - 29 April 2025
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Silvan Borer illustrierte die Lehrmittel «Deutsch Kindergarten», «Deutsch Eins» und «Deutsch Sieben bis Neun». Mit uns sprach er über die Schule, seine Sinn- und Stilsuche und wie er vorgeht, um Lehrmittel möglichst zeitlos zu gestalten.

Silvan, woran denkst du, wenn du «Schule» hörst?
(Schüttelt den Kopf und lacht) Ich hatte keine guten Erfahrungen und war aber auch selbst keine gute Erfahrung. Mittlerweile denke ich beim Wort «Schule» an Lehrmittel; ich unterrichte selbst (siehe Box) und illustriere Lehrmittel. So schliesst sich der Kreis. Ich sehe das als Chance, Dinge anders zu machen.

Worauf achtest du beim Illustrieren von Lehrmitteln besonders?
Die Illustration muss die Lust am Entdecken wecken. Wenn Kinder sich gerne damit beschäftigen, kommt der Lernstoff oft von allein mit. Sie sollen sich auf ein Abenteuer begeben, mitdenken, mitgestalten und schlussendlich ihren eigenen Weg gehen, der nicht gradlinig ist.

Kannst du ein Beispiel für eine solche Illustration nennen?
Das Cover von «Deutsch Eins», Unterwegs mit Spatz Kiko zeigt das gut. Darauf sehen wir eine Karte, die fast eins zu eins auf der Karte der Stadt Zürich basiert, aber ebenso voller Fantasie ist. Es ist ein vertrautes Setting, das zugleich offenbleibt wie ein Abenteuer, bei dem man nicht genau weiss, wohin es geht.

Mann in Schwarz gekleidet und mit schwarzen Punkten auf den Nägeln hält das Deutschlehrmittel "Deutsch Eins - Unterwegs mit Spatz Kiko" in den Händen.
Das Cover von «Deutsch Eins», Unterwegs mit Spatz Kiko, auf dem die Karte der Stadt Zürich abgebildet ist.

Die Gebäude auf diesem Cover sind nur schemenhaft dargestellt. Warum?
Ja, ich zeige bewusst nur die Volumen der Häuser. Ich zeige eine Idee und keine Details. Lehrmittel sollen möglichst lange im Einsatz sein können und entsprechend zeitlos sein. Da ist es hilfreich, nicht zu viel effektive Realität abzubilden. Ebenso versuche ich zum Beispiel bei Kleidern oder anderen Gegenständen keine Marken zu zeichnen und keine elektronischen Geräte darzustellen, die einer bestimmten Zeit zuordenbar sein könnten. Die vielen abgebildeten Tiere hingegen sind zeitlos.

Du verwendest viele verschiedene Stile. Wie findest du deinen eigenen Stil?
Eine Frage die mir oft gestellt wird. Ich bin immer noch auf der Suche nach meinem Stil – vielleicht eine Suche, die nie ein Ende findet. Das mag nach aussen hin anders wirken, ist aber wohl auch eher eine subjektive Angelegenheit. Diese Suche nach meinem eigenen Stil treibt mich unheimlich an. Ich will nicht stagnieren. Das ist ein grosses Bedürfnis.

Es ist also dein oberstes Ziel, deinen Stil zu finden?
Nein, ironischerweise ist es das nicht. Ich will zwar herausfinden, «was ich bin» und was ich eigentlich will. Ich stelle es mir sehr schön vor, an dem Punkt anzukommen und dass man dann ganz ruhig wird. Aber, wenn ich meinen Stil tatsächlich finden würde, dann wär's vielleicht auch vorbei mit meiner Kunst. Die Suche ist das, was mich weiterbringt. Für mich liegt der Reiz oft gerade im Nicht-Ganz-Verstehen. Ich finde Dinge reizvoller, wenn man sie nicht völlig durchschaut. Das hält sie lebendig.

Was ist es, das du im Künstlerischen ausdrücken möchtest?
Es geht nicht nur um das, was ich auf Papier bringe. Es ist ein innerer Drang, etwas rauszulassen und mich auszudrücken sei es durch ein Bild, eine Idee oder sogar das Einrichten meines Apartments auf eine bestimmte Art. Ich mag die Freiheit, einfach zu machen, ohne dass etwas ein konkretes Ziel haben muss.

Was reizt dich daran, für Kinder zu illustrieren?
Kinder sind noch nicht so festgelegt in ihrem Denken wie Erwachsene. Das Schwarzweiss-Denken ist bei ihnen noch nicht so ausgeprägt. Das ist bei mir selbst auch so, und deshalb liegt darin für mich ein grosser Reiz. Vielleicht mache ich diese Illustrationen sogar in erster Linie für mich selbst – und habe das grosse Glück, dass sie von den Kindern gut verstanden werden.

Zur Person

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Alter: Anfang 30
Ausbildung: Landschaftsgärtner/Bachelor Wissenschaftliche Illustration
Beruf: Illustrator (u. a. für «Deutsch Kindergarten», «Deutsch Eins», «Deutsch Sieben bis Neun»), Künstler, Designer und Dozent/Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule für Gestaltung und Kunst Basel FHNW
Lieblingsfach in der regulären Schulzeit: Zeichnen und Geschichte
Rituale: Ich stehe meist sehr früh auf und mache Sport, bevor ich mit der Arbeit beginne.
silvanborer.com
instagram.com/studiosilvanborer


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