«Wir durften etwas Neuartiges kreieren»

von Julia Dieziger - 22 Oktober 2025
Illustration Logbuch

Das neue NMG-Lehrmittel «Logbuch 1–2», das derzeit unter der Federführung des LMVZ entwickelt wird, unterstützt die Kinder in der 1. und 2. Klasse der Primarschule beim geschichtlichen, geografischen, wirtschaftlichen und politischen Lernen. Im Interview sprechen die Projektleitenden René Schär und Martina Hupfer über die Ideen hinter dem neuartigen Konzept, über Beurteilungsinstrumente und Differenzierungsmöglichkeiten.

Welche besonderen Überlegungen sind in die Entwicklung von «Logbuch 1–2» eingeflossen?
René Schär: Für uns war ein Zugang zum Lernen wichtig, der anregend ist – kognitiv aktivierend und den Bedürfnissen junger Kinder gerecht wird. Das Lehrmittel Logbuch 1–2 folgt einer klaren inhaltlichen Struktur und ist gleichzeitig so gestaltet, dass offene, gehaltvolle Lernangebote den Lernprozess bereichern und neue Perspektiven eröffnen.

In «Logbuch 1–2» fällt auf, dass die Seiten mit sehr wenig Text auskommen. Weshalb?
Martina Hupfer: «Logbuch 1–2» kommt ohne Progression aus. Das heisst: Es wird nicht von Thema zu Thema komplexer, sondern die sechs Themenhefte sind in beliebiger Reihenfolge einsetzbar. Während eine Lehrperson mit dem Themenheft «Umwelt» am Anfang der 1. Klasse arbeitet, setzt eine andere dieses vielleicht erst am Ende der 2. Klasse ein. Aus diesem Grund wird in den Themenheften nur reduziert geschriebene Sprache eingesetzt, nicht aber auf gehaltvolle Inhalte und Aufgaben verzichtet.

Beim Aufbau und der Gestaltung der Themenhefte haben wir uns stark an Magazinen und Kinderbüchern orientiert. Das ermöglicht es den Schülerinnen und Schülern verstärkt, Dinge selbst zu entdecken oder Fragen zu stellen, die Lehrpersonen aufnehmen und weiterbearbeiten können. Sprachlich war uns zudem wichtig, Schlüsselbegriffe und Redemittel bereitzustellen, die Lehrpersonen direkt einsetzen können, so dass die Kinder bei ihrer Sprachentwicklung gezielt unterstützt werden.

Worauf haben Sie bei den Illustrationen Wert gelegt?
René Schär: Zum einen gibt es klassische Illustrationen, die Inhalt, Lerngegenstände und Lernsituationen abbilden. Beim Thema «Umwelt» wird beispielsweise dargestellt, wie Kinder Interviews mit einer Bäuerin, einem Förster und mit Jugendlichen zum Thema Abfall durchführen. Zum andern arbeiten wir mit Bildern, die zum Weiterdenken und Diskutieren anregen.

Ein Beispiel: So finden sich neben korrekt dargestellten Lerngegenständen, wie etwa einer Sammelstelle, auch immer wieder verspielte Elemente, wie das kleine Fabeltier im Themenheft «Zeit», das mit seinem langen Rüssel eine zerfliessende Uhr hält. Besonders gelungen finden wir den grundsätzlich positiven, freudigen Ausdruck der Illustrationen.

Farbige Illustration von Kindern an einem Komposthaufen
Verbindung von Print und Digital: Auf der Lernplattform nutzen die Schülerinnen und Schüler Lernangebote, um sich über Ton und Bild selbstständig Wissen anzueignen (hier: Screenshot aus dem Lernangebot zum Thema Umwelt).

Welche Beurteilungsinstrumente bietet «Logbuch 1–2»?
René Schär: Zum einen sind Reflexionskarten verfügbar, die Kinder mit Fragen wie «Was habe ich gelernt und was möchte ich noch lernen?» zum Reflektieren anregen. Zum andern gibt es Selbstbeurteilungsinstrumente, anhand derer die Kinder einschätzen können, wo sie im Moment stehen. Für die Lehrpersonen bietet «Logbuch 1–2» zudem formative Beurteilungsinstrumente zu ausgewählten Lernzielen, mit denen sie bezogen auf Kriterien und Indikatoren den Lernstand der Kinder einschätzen können. Zudem stellt das Lehrmittel eine Tabelle mit sämtlichen Lernzielen zur Verfügung, in die Notizen zur Klasse oder zu den einzelnen Kindern festgehalten werden können. Das kann die Lehrpersonen einerseits beim Planen unterstützen, andererseits aber auch bei der Vorbereitung auf Beurteilungsgespräche.

Wie können Lehrpersonen mit «Logbuch 1–2» differenzieren?
Martina Hupfer: Wir gehen auf dieser Stufe von einem Entwicklungsunterschied von bis zu drei Jahren aus. Das Lehrmittel liefert deshalb Differenzierungsvorschläge, um Lernaufgaben anzureichern oder zu vereinfachen. Wir stützten uns dabei unter anderen auf die Methode des Scaffolding. Alle Schülerinnen arbeiten am selben Lerngegenstand, aber mit mehr oder weniger Unterstützung. Man kann sich dies vorstellen wie ein Gerüst, das man hinstellt oder wegnimmt für Schülerinnen und Schüler, die es nicht brauchen. Wenn die Kinder zum Beispiel etwas ordnen müssen, gibt man jenen, die mehr Unterstützung brauchen, vielleicht eine visuelle Hilfe mit Farben, was ihnen hilft, die Reihenfolge zu bestimmen. Wer diese Hilfe nicht braucht, sortiert die Kärtchen ohne Hilfestellung.

Illustrationen mit Tieren zum Thema Umwelt
Die Auftaktseite «Unterwegs» macht auf das Thema neugierig und bietet einen ersten visuellen Zugang zum Thema. Sie weist bereits auf die Lernangebote hin.

Worauf sind Sie persönlich besonders stolz?
René Schär: Dass der Mut da war, ein etwas andersartiges Lehrmittel zu entwickeln, das Lernen am gemeinsamen Lerngegenstand und auch interessengeleitetes, spielerisches Lernen ermöglicht. Es war auch ein gewisses Risiko. Denn wir mussten alte Weg verlassen und neue gehen. Dank der intensiven fachdidaktischen Auseinandersetzung ist es uns gelungen, verschiedene Expertisen zusammenzubringen und eine innovative Unterrichtskonzeption mit Klassenunterricht und Lernangeboten zu schaffen. «Logbuch 1–2» ist nicht einfach der kleine Bruder oder die kleine Schwester von «Logbuch 3– 6», sondern ein auf die Bedürfnisse von jungen Kindern angepasstes Lehrmittel. Unter der Leitung des LMVZ durften wir etwas Neuartiges kreieren.

Martina Hupfer: Stolz bin ich auch auf unser diverses Autorenteam: Lehrpersonen, die auf der Zielstufe unterrichten, Fachdidaktikerinnen, Expertinnen und Experten für Geschichte, Psychologie und NMG. Viele waren schon in der Konzeptphase dabei, haben dieses mitgetragen und mitentwickelt. Das Resultat sind nun sechs fachlich und fachdidaktisch durchdachte, kindgerechte Themenhefte und ein Handbuch für die Lehrpersonen, das alle Unterrichtsmaterialien dazu liefert.

Zur Person

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Martina Hupfer ist Primarlehrerin und NMG-Fachdidaktikerin. Sie arbeitet seit 2021 als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Fachdidaktik der Gesellschaftswissenschaften an der Pädagogischen Hochschule (PH) Luzern.

Gemeinsam mit René Schär bildet sie die inhaltliche Projektleitung bei «Logbuch 1–2».

Zur Person

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René Schär ist Primarlehrer, Rhythmikpädagoge und Soziologe. Er arbeitet seit 2003 als Dozent in den Studiengängen Kindergarten/Unterstufe und Primarschule an der Pädagogischen Hochschule (PH) Luzern.

Gemeinsam mit Martina Hupfer bildet er die inhaltliche Projektleitung bei «Logbuch 1–2».

«Logbuch 1–2»

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«Logbuch 1–2» unterstützt die Kinder in der 1. und 2. Klasse der Primarschule beim geschichtlichen, geografischen, wirtschaftlichen und politischen Lernen. Es deckt damit die Kompetenzbereiche 6 bis 10 im Fachbereich NMG ab. Es umfasst sechs Themenhefte und ein digitales Handbuch für Lehrpersonen.


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