Wo lernen Kinder und Jugendliche? Wie beeinflusst die Lernumgebung das Lernen? Und wie können Schulen und Lehrpersonen die Lernumgebung anregend gestalten, auch mit wenig Aufwand und Budget? Fragen, denen wir in diesem Beitrag nachgehen.
Lange Zeit prägte der klassische Frontalunterricht die Gestaltung von Schulzimmern: Die Lehrperson steht vorne an der Tafel, die Schüler sitzen in Reihen an ihren Tischen. Schulhäuser wurden nach diesem Verständnis gebaut und eingerichtet. In den meisten dominieren lange Gänge mit aneinandergereihten Klassenzimmern, zusätzlich gibt es einige Spezialräume wie Turnhallen und Werkräume.
Der Frontalunterricht hat auch heute noch seine Berechtigung, er wird aber immer häufiger ergänzt durch andere Lern- und Lehrmethoden. Gruppenarbeiten, individuelles und selbstorganisiertes Lernen sowie digitale Technologien spielen zunehmend eine wichtige Rolle.
Dadurch verändern sich auch die Ansprüche an die Lernumgebung. Oder umgekehrt: Sind die Lernplätze nicht mehr nach vorne ausgerichtet, hat das Auswirkungen auf den Unterricht.
Dass die Umgebung unser Verhalten und Wohlbefinden beeinflusst, lässt sich nachweisen und ist intuitiv klar. In hellen, gut belüfteten Räumen arbeiten und lernen wir besser, ist es hingegen laut und stickig, leidet die Konzentration. Räume erzeugen Stimmungen, sind einladend, beruhigend oder anregend.
Das gilt auch für Lernumgebungen. Das Konzept des «dritten Pädagogen» (Malaguzzi, 1997) beschreibt den Raum als Einflussfaktor, der das Lernverhalten entscheidend prägt. Wo man sich wohlfühlt und entfalten kann, lernt man gern und gut.
Traditionelle Klassenzimmer gehen von der Prämisse aus, dass die Schülerinnen und Schüler eine Einheit sind und von der Lehrperson als Gruppe Wissen vermittelt bekommen. Heute sieht die Pädagogik die Lernenden jedoch vermehrt als Individuen, die sich Wissen aneignen und dabei von Lehrpersonen unterstützt und begleitet werden. Moderne Lernumgebungen tragen dieser Idee Rechnung und ermöglichen individuelles, selbstständiges, differenziertes Lernen und Unterrichten.
Eine Lernumgebung, die einem neuen pädagogischen Verständnis entspricht, regt Kinder zum eigenständigen Handeln an, weckt Neugier und lädt zum Experimentieren ein. Raum und Materialien sind so organisiert, dass selbstständiges Handeln leichtfällt, die Einrichtung ist funktional, selbsterklärend und flexibel.
Es gibt Schulen, die radikal neue Lernumgebungen schaffen und Schulhäuser als offene Lernlandschaften ohne oder mit verstellbaren Wänden bauen. Andere nutzen Korridore um und richten dort Spiel- und Aufenthaltszonen ein. Möglich ist auch, dass die festen Klassenzimmer aufgehoben werden und mehrere Klassen gemeinsam einen Pool von Räumen nutzen, teilweise gemeinsam mit dem Hort.
Doch auch in einzelnen Schulzimmern gibt es zahlreiche Möglichkeiten, die Gestaltung und Einrichtung zu verändern:
Dank flexiblen Elementen wie Paravents, Möbeln mit Rollen, Kisten und Bänken mit Stauraum kann das Klassenzimmer immer wieder anders gestaltet und an die Bedürfnisse von Schülerinnen, Schülern und Lehrpersonen angepasst werden.
Mit Vorhängen oder Regalen lassen sich Sitzecken für ruhiges Arbeiten abtrennen. Ausgerüstet mit einem Pamir können die Lernenden die Ablenkung auf ein Minimum reduzieren.
«Versammlungszonen» wie z. B. der Kreis oder grosse Tische lassen Raum, um in grösseren Gruppen oder im Klassenverband zu lernen und zu diskutieren.
Es wird Raum für Bewegung geschaffen, durch Platzwechsel, Stehtische und Bewegungsmaterial wie Trampolin, Boxsack oder Wippen.
Der Aussenraum und die nähere Umgebung werden einbezogen und als erweiterter Schulraum genutzt.
Auch ausserhalb des Klassenzimmers gibt es vielseitige Lernorte. Einerseits ist die Natur als solche ein geeigneter Ort, um – themenunabhängig – zu lernen. Andererseits lassen sich viele Themen vor Ort auch besser veranschaulichen als im Klassenzimmer. Die Beispiele dafür sind zahlreich und lassen sich beliebig erweitern:
Bauernhof, Tierpädagogik
Markt, Gemüseanbau
Botanische Gärten
Baustellen
Stadtnatur, Wald
Museen, Naturzentren
Die Pädagogische Hochschule Zürich führt eine Liste mit ausserschulischen Lernorten und Angeboten.
Der Zusammenhang zwischen Lernumgebung und Lernen wird auch im Lehrplan des Kantons Zürich abgebildet:
«Spielmaterial und Lernumgebungen knüpfen an bereits vorhandenen Interessen der Kinder an, sind aber auch geeignet, Neugierde zu wecken und neue Interessen zu generieren. Sie beinhalten die Möglichkeit zum Explorieren und Experimentieren und sind auf die im Lehrplan formulierten Kompetenzen ausgerichtet.»
(Vgl. Lehrplan Volksschule Kanton Zürich > Grundlagen > Schwerpunkte des 1. Zyklus)
Im Churer Modell hat der Raum eine entscheidende Rolle inne, er wird als dritter Pädagoge für das Lernen genutzt. Der Kreis spielt eine zentrale Rolle, dort werden kurze Inputs gegeben. Mit Lernaufgaben lernen die Schülerinnen und Schüler individuell, ihren Arbeitsplatz wählen sie selber aus und lernen dort, wo sie sich wohlfühlen. In diesem Prozess werden sie von der Lehrperson begleitet.