Im Unterricht singen, tanzen und hüpfen? Das ist nicht nur im Sport- und Musikunterricht gefragt, sondern tut auch in anderen Fächern gut. Warum das so ist und wie man Musik und Bewegung fächerübergreifend im Unterricht einsetzt, zeigen wir mit diesem Beitrag.
Musik spielt eine grosse Rolle in Samuel Gossners Leben. Nicht nur privat, sondern auch beruflich – doch nicht etwa als Berufsmusiker, sondern als Lehrer der Unterstufe in einem Zürcher Schulhaus. Klavierklänge, Gitarrenriffs und Gesang hört man in seinem Klassenzimmer regelmässig und unabhängig vom Fach, das er gerade vermittelt. Der Lehrer ist überzeugt: Musik tut dem Unterricht gut.
Diese Ansicht vertritt auch Franzisca Schaub, Psychologin FH und Coach und Supervisorin BSO: «Bewegung und Musik unterstützen Freude und Wohlbefinden – wichtige Voraussetzungen fürs Lernen.»
Schaub arbeitet an der Pädagogischen Hochschule Zürich und bietet Kurse zum Thema «Bessere Konzentration durch Bewegung» an (siehe Box). Sie erklärt, dass Musik wie auch Bewegung die Dopaminproduktion im Körper anregen – ein Botenstoff, den wir für Lernprozesse, Gedächtnisleistung, Aufmerksamkeit und Motivation brauchen.
Diese Aussage wird von zahlreichen anderen Forscherinnen und Praktikern gestützt, insbesondere in Bezug auf die Musik. Sie betonen die positive Wirkung von Musik auf die Entwicklung, die soziale Kompetenz und die Motivation. Zudem weisen sie darauf hin, dass Musik auf unterschiedliche Hirnareale einwirkt: Erinnerung, Motorik, räumliche und visuelle Wahrnehmung werden durch Musik aktiviert und kognitive Strukturen verändert.
Musik und Bewegung wirken sich also auf emotionaler wie auf kognitiver Ebene aus: Sie unterstützen eine positive Grundstimmung und aktivieren Hirnareale, die für Gedächtnisleistung und Lernprozesse relevant sind. Und natürlich hängt beides zusammen.
Diese Eigenschaften machen Musik und Bewegung zu idealen Begleitern des Unterrichts. Sie helfen zum Beispiel, den Unterricht zu rhythmisieren, indem sie als Auftakt oder Unterbrechung eingesetzt werden – Klavierklänge und gemeinsames Singen zum Start des Unterrichts oder eine Bewegungseinheit bei nachlassender Konzentration.
Elemente, die Lehrer Samuel Gossner ganz gezielt in seinen Unterricht einbaut. So ist das gemeinsame Musizieren ein Ritual, das ihm sehr wichtig ist: «Ich glaube fest daran, dass Musik die wichtige Funktion hat, Menschen zusammenzubringen. Sie wirkt identitätsstiftend und fördert die Gemeinschaft.»
Dieses Vorgehen unterstützt auch Franzisca Schaub. Wer Musik und Bewegung im Unterricht fächerübergreifend einsetzen will, sollte selber Freude daran haben und seine Klasse gut kennen. Man muss spüren, was es gerade braucht und was die Kinder und Jugendlichen annehmen können. Es gilt, die Angebote der Stimmung, Situation und Klasse anzupassen – sollen sie aktivierend, auflockernd oder entspannend wirken?
Merkt Samuel Gossner zum Beispiel, dass einige Kinder beim Lösen der Matheaufgaben unruhig werden, bietet er ihnen eine Bewegungseinheit an oder lässt sie mit Klaviermusik oder Atemübungen zur Ruhe kommen. Franzisca Schaub ergänzt: «Das Thema Achtsamkeit wird immer wichtiger. Eine gute Möglichkeit ist beispielsweise, nach einer intensiven Bewegungseinheit eine ruhige Wahrnehmungsübung einzubauen.»
Musik und Bewegung können im Unterricht in vielen Situationen eingesetzt werden. Sie helfen beim Ankommen, Beruhigen, Aktivieren und Rhythmisieren. Einige Ideen dafür:
Dehnen, strecken, hüpfen und tanzen – zur Auflockerung oder als Übergang
Musik als Auftakt oder zur Unterstützung von entspannenden Bewegungen
Musikalische Rituale für Struktur und Orientierung, z. B. beim Aufräumen oder Zurückkehren in den Sitzkreis
Lied der Woche, von den Schülerinnen und Schülern selbst gewählt und bei besonderen Gelegenheiten abgespielt
Klatschrhythmen, um Aufmerksamkeit zu bündeln
Franzisca Schaub empfiehlt, ein Set an Materialien, Spielen, Übungen und Musik zusammenzustellen – Inspiration bietet diese Linkliste. Ein Tipp, den auch Samuel Gossner gibt. Er selber hat über die Jahre einen Fundus an Liedern und Spielen aufgebaut und setzt sie je nach Bedarf ein. Befürchtungen, dass man zu wenig Zeit für den Unterrichtsstoff hat, relativiert Franzisca Schaub: «Oft ist es effektiver, zwischendurch etwas ganz anderes zu tun, um danach mit voller Aufmerksamkeit weiterzumachen.»
Musik und Bewegung können aber auch als «Lernhelfer» eingesetzt und direkt für die Stoffvermittlung genutzt werden, wie diese Beispiele zeigen:
Im Übungsheft von «Deutsch 3» finden Sie verschiedene Ideen für das Wörtertraining, in dem die Kinder üben, Wörter orthografisch korrekt zu schreiben. Eine Idee ist es, die zu lernenden Wörter zu hüpfen. Dazu wird zunächst ein Buchstabengitter mit Kreide auf den Boden gemalt; danach gilt es, die Wörter zu hüpfen.
Im Lehrmittel «Alli singed Mathi» werden mathematische Aufgaben im Gesang geübt. Anwesende Kinder zählen, Zahlen im Zehnerraum zerlegen, Zahlen kennenlernen – das alles wird mit Reimen, Liedern sowie einfachen Klatsch- und Tanzrhythmen verbunden.
Lieder dienen im Fremdsprachenunterricht als motivierende Sprechanlässe und unterstützen den Lernerfolg – und sind deshalb ein zentraler Bestandteil des Französischlehrmittels «dis donc!». In der Primarstufe stammen die Lieder vom Musiker Gustav, der für jede Unité ein passendes Chanson komponiert hat.
Weitere Ideen:
Vokabeln mit Bewegungen verknüpfen, Bewegungen in Fremdsprache anleiten («Roll your shoulders», «Lift your hands»)
Lernlieder für Rechtschreibung und Mathematik einsetzen
Zahlenhüpfen und Klatschrhythmen, um Reihen zu festigen
Franzisca Schaub bietet an der PH Zürich und in Schulen Kurse zum Thema «Bessere Konzentration durch Bewegung» an.
Im Interview spricht sie ausführlich mit uns über die Rolle von Musik und Bewegung im Unterricht und beim Lernen.
Im Magazin «Einblick» widmen wir uns ausführlich dem Thema «Musik und Bewegung im Unterricht». Sie finden dort ein Interview mit Franzisca Schaub, eine Reportage aus Samuel Gossners Klassenzimmer und zahlreiche Buchtipps zum Thema.
Den «Einblick» können Sie direkt am Bildschirm lesen oder als Printausgabe bestellen.