Spielerisches Lernen: Definition, Vorteile, Beispiele

von Karin Keller - 18 Januar 2024
Schale mit Federn und mehr aus der Natur.

Lernen und Spielen sind eng verknüpft, gerade bei Kindern. Dies lässt sich durch Forschungsbefunde stützen und im Lernalltag nutzen. Entsprechend konzipierte Lehrmittel spielen dabei eine wichtige Rolle.

Der Kulturwissenschaftler Johan Huizinga bezeichnete den Menschen als «Homo Ludens», als spielenden Menschen. Diese Aussage ist insbesondere für Kinder passend, sie eignen sich die Welt an, indem sie erproben, experimentieren, interagieren. Kurz: Sie lernen spielend und spielerisch.

Dem Begriff «spielerisches Lernen» bist du bestimmt auch schon begegnet. Doch was verbirgt sich hinter dem Schlagwort? Wie lässt es sich definieren und wie lässt sich in der Praxis spielerisch lernen?

Spielen und Lernen – zwei eng verbundene Begriffe

Catherine Lieger ist Dozentin an der Pädagogischen Hochschule Zürich, sie lehrt und forscht zum Thema. Lieger hält fest: «Spielerisch Lernen – das ist eigentlich eine Doppelung. Denn gerade für junge Kinder ist Spiel die zentrale und optimale Lernform.»

Spielen und lernen lassen sich also kaum trennen, insbesondere bei Kindern im 1. Zyklus nicht. Je älter die Kinder werden, desto bewusster und abstrakter wird der Lernprozess – das beiläufige Lernen wird zum bewussten Lernen. Doch auch im 2. Zyklus bleibt das Spielen für den Lernprozess wichtig, so Lieger.

Was intuitiv einleuchtet, konnte lange Zeit nicht durch Forschungsbefunde gestützt werden. Im Kindergarten war das Freispiel zwar immer wichtig, man wusste aber wenig darüber, wie sich das kindliche Spiel auf die Entwicklung auswirkt. Heute zeigt die Forschung, dass das Spiel eine positive Wirkung auf Lernprozesse hat und in immer mehr Schulen wird «Spielen» Bestandteil des Stundenplans.

Spielerisches Lernen in der Praxis

In der Schule finden sich zahlreiche Möglichkeiten, Lernen und Spielen zu verbinden: In die Natur gehen, mit allen Sinnen erleben, Übungen durch Handlungen ersetzen – statt auf dem Papier zu rechnen, werden am «Verkäuferlistand» Früchte gewogen und Wechselgeld gezählt. Dabei befindet sich das freie Spiel an einem Ende des Kontinuums, das Spiel als Methode am anderen. Dazwischen gibt es Abstufungen.

Lehrpersonen fungieren dabei als Begleiterinnen und Impulsgeber. Voraussetzung für diese Rollen sind das Wissen um die Entwicklung der Spielformen und die Bedeutung des Spielens für das Lernen.

Gut konzipierte Lehrmittel in Buch-, Heft- oder digitaler Form dienen als Inspiration oder Anleitung zum Spiel. Idealerweise sind sie so aufgebaut, dass Aufgaben nicht zu eng formuliert sind und eine freie Umsetzung erlauben. Auch digitale Hilfsmittel wie Computerspiele und Apps sowie spielfreundlich eingerichtete Lernräume tragen dazu bei, fachliche Lerninhalte und überfachliche Kompetenzen spielerisch zu vermitteln.

Drei Beispiele aus den Lehrmitteln des LMVZ

Deutsch Eins

In «Deutsch Eins» beschäftigen sich die Erstklässlerinnen und Erstklässler mit dem Thema Backen. Sie sehen sich das Bild der Bäckerei an, die Wörter, die es in diesem Kontext gibt und schlüpfen in die Rolle von Verkäuferin oder Kunde, um Szenen nachzuspielen. So verwenden und üben sie Wörter im Spiel. Dieses Vorgehen berücksichtigt, dass der Wortschatzerwerb in diesem Alter in erster Linie mündlich stattfindet. Eine grosse Hilfe sind die rund 240 Wortkarten, die dem Lehrmittel beiliegen. Sie können in verschiedensten Spielen und Übungen eingesetzt werden.

Abbildung einer Bäckerei mit passenden Begriffen

Kinder begegnen Natur und Technik

Das Lehrmittel «Kinder begegnen Natur und Technik» für die Kindergartenstufe beinhaltet jede Menge Ideen für Aktivitäten, bei denen Kinder spielerisch die Natur und Technik entdecken. Zwei konkrete Beispiele sind die Unterrichtsvorschläge «Fundstücke aus dem Garten» und «Jahreslauf Herbst». Die Kinder sammeln draussen Gegenstände und untersuchen sie später. Kopiervorlagen helfen dabei, die Gegenstände zu beschreiben, zuzuordnen und zu sortieren. Auch Rollenspiele bieten sich draussen in der Natur an: Als Reh lauschen die Kinder, ob sich ein gefährlicher Luchs anschleicht, als Eichhörnchen legen sie sich einen Wintervorrat an Nüssen an. So lernen die Kinder viel über Tiere und können gleichzeitig ihrem Bewegungsdrang nachgehen.

Kopiervorlage und Gegenstände aus der Natur

dis donc! 9

Das Lehrmittel «dis donc! 9» (3. Zyklus) geht mit einem Browserspiel neue Wege. Die Geschichte des Spiels spinnt sich um einen spektakulären Kunstraub, durch Dialoge schalten die Schülerinnen und Schüler Hinweise frei und kommen so dem Meisterdieb auf die Spur. Das Spiel knüpft direkt an das Lehrmittel an, bietet aber einen anderen Zugang zu den Lerninhalten – spielerischer und interaktiver. Das Spiel funktioniert nach bewährten Spielprinzipien und eine Anleitung sorgt zusätzlich dafür, dass die Herausforderung bei den Lerninhalten liegt und nicht beim Verstehen des Spieles an sich.

Illustration eines Computerspiels

Drei Fragen an Catherine Lieger

Welche Vorteile hat es, wenn Kinder spielerisch lernen?

Schaut man sich die Entwicklung des Kindes an, sieht man, dass es sich über die verschiedenen Spielformen die Umwelt aneignet und lernt. Das fängt bei den Babys an und entwickelt sich in der ganzen Kindheit weiter – vom Funktionsspiel über das Rollenspiel mit hin zum Regelspiel. Vielfältige Spielerfahrungen sind die Grundvoraussetzung, um später schulische Inhalte miteinander zu verknüpfen. Zahlreiche Kompetenzen – darunter die intrinsische Motivation, die Entwicklung von Ideen in Kooperation mit anderen, Frustrationstoleranz – werden durch das Spiel gefördert.

Das Spiel ist also die Basis für erfolgreiches Lernen?

Es ist wichtig, dass Kinder schon vor dem Schuleintritt vielfältige Spielerfahrungen machen, in der Kita, im Elternhaus. Bei der Generation Alpha (geboren zwischen 2010 und 2025) sehen wir jedoch eine grosse Schere, nicht alle Kinder können diese Spielerfahrungen vor dem Kindergarteneintritt machen. Grund dafür sind auch gesellschaftliche Veränderungen, die Kinder haben zu wenig Zeit, frei zu spielen. Es ist eine grosse Herausforderung für die Lehrpersonen, da ein Lernsetting anzubieten, das alle Kinder abholt.

Wie können Lehrpersonen die natürliche Veranlagung des Kindes zum Spiel im Unterricht nutzen?

Das ist in erster Linie eine Haltungsfrage – gehe ich als Lehrperson davon aus, dass ich das Wissen habe und es vermittle, oder sehe ich das Kind als Menschen mit Wissen, den ich beim Lernen begleite? Im Idealfall anerkennt die Lehrperson, dass Kinder spielerische Wesen sind und knüpft daran an. Damit kann sie auch der oben erwähnten Heterogenität der Klassen gerechter werden.


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