Hürden beim Deutschlernen: Chinesisch

von Franziska Meier - 25 Juli 2025
Wortwolke, u.a. mit chinesischen Zeichen

Ausgehend vom Handbuch «Deine Sprache – meine Sprache» zeigen wir Stolperfallen auf, die Fremdsprachige beim Deutschlernen haben können. Im Blog stellen wir verschiedene Sprachen vor, heute ist Chinesisch an der Reihe.

Mit einer Landflache von 9,6 Millionen Quadratkilometern ist die Volksrepublik China hinter Russland und Kanada das drittgrösste Land der Welt. Die Einwohnerzahl wird auf rund 1,4 Milliarden geschätzt. Die chinesische Sprache ist eine der offiziellen Amtssprachen der Vereinten Nationen. Sie gehört zur sinotibetischen Sprachfamilie und ist eine der meistgesprochenen Sprachen der Welt. Chinesisch wird in verschiedenen Dialektgruppen gesprochen: Mandarin, Wu, Gan, Xiang, Hakka, Yue und Min. In der Schweiz leben zurzeit rund 20’000 Chinesen und Chinesinnen.

Im Nachschlagewerk «Deine Sprache – meine Sprache» werden die Besonderheiten des Chinesischen ausgeführt und in Bezug zum Deutschen gesetzt. Es richtet sich an Lehrpersonen sowie an Personen, die beruflich oder privat mit Kindern und Jugendlichen nichtdeutscher Erstsprache zu tun haben (siehe Box ganz unten).

Charakteristik der chinesischen Sprache

Chinesische Schriftzeichen haben sich aus Bilddarstellungen entwickelt und sind seit der Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. kontinuierlich überliefert. Jedes Schriftzeichen entspricht einer Silbe.

Ein Chinese, eine Chinesin mit Universitätsabschluss beherrscht durchschnittlich weniger als 5000 Schriftzeichen. Etwa 3000 sind für das Lesen einer chinesischen Zeitung erforderlich.

Kostprobe chinesische Sprache, bestehend aus den folgenden zwei Sätzen auf Chinesisch: An unserer Schule werden viele Sprachen gesprochen und es hat Schülerinnen und Schüler aus verschiedenen Kulturen. Wir freuen uns über diese Vielfalt und sind stolz auf sie.
Aus: «Deine Sprache – meine Sprache». In der Kostprobe wird ein Beispielsatz auf Chinesisch gezeigt und Wort für Wort ins Deutsche übersetzt.
  • Bei den Nomen sind Geschlecht, Artikel, Numerus und Kasus unbekannt.

  • Präpositionen werden im Chinesischen vor das Nomen oder Pronomen gestellt, um eine Wortgruppe zur Angabe von Zeit, Ort, Richtung, Objekt, Grund, Art und Weise, Passiv, Vergleich oder Ausschliessung zu bilden.

  • Das Adjektiv dient hauptsachlich zur Bestimmung eines Nomens, als Prädikat, als Adverbialbestimmung und als Komplement, um ein Verb näher zu beschreiben.

  • Das chinesische Verb kennt keine morphologische Änderung (Flexionsformen); seine Form bleibt unabhängig von Person, Zahl, Zeit usw. unverändert. Gegenwart, Zukunft, Vergangenheit oder andere auf die Zeit bezogene Aspekte wie Dauer, Abgeschlossenheit usw. werden durch Zeitangaben (jetzt, nächstes Jahr, vor einem Monat etc.) oder sogenannte Aspektpartikeln ausgedrückt.

  • Generell erfolgt der Satzbau nach dem Muster Subjekt – Verb – Objekt. Die Wortstellung im chinesischen Satz ist zentral, denn die Satzglieder können aufgrund der fehlenden Morphologie nur anhand ihrer Stellung im Satz erkannt werden.

Häufige Sprachhürden beim Deutschlernen

  • Bei der Artikulation können die vom Chinesischen her unbekannten Umlaute ä und ö Schwierigkeiten machen, vor allem aber der Konsonant r. Die Buchstaben r und l werden im Anlaut oft verwechselt, die Häufung von Konsonanten (Pflicht, herbstlich) bereitet ebenfalls Mühe. Manche Chinesischsprachige haben zudem Schwierigkeiten bei der Unterscheidung von l und n bzw. von e und ä. Anlautendes s-, sch- (z. B. Sprache, Schrift) und qu- (z. B. quer) müssen ebenfalls geübt werden. Die im Deutschen bedeutungsunterscheidende Funktion der Vokallänge (vgl. Beet – Bett) ist im Chinesischen unbekannt und verdient daher besondere Beachtung.

  • Da in China lateinische Buchstaben für die Umschrift von Schriftzeichen verwendet werden, sollte die deutsche Schrift kein prioritäres Problem darstellen. Unbekannt sind allerdings die Buchstaben ä und ö.

  • Bei der Rechtschreibung besteht angesichts der komplett unterschiedlichen Schriftsysteme keine Gefahr von diesbezüglichen Verwechslungen. Aufgrund der Unterschiede im Phonembestand sind hingegen rechtschriftliche Probleme möglich bei den Unterscheidungen von c, ck, k und g; sch, tsch und ch; v und w; s und z sowie bei den Markierungen der Vokallänge oder -kürze durch Dehnungszeichen oder Konsonantenverdoppelung. Die im Deutschen wichtige Gross-/Kleinschreibung ist in der chinesischen Umschrift von Schriftzeichen unbekannt und muss neu gelernt werden.

  • Beim chinesischen Nomen fehlen Geschlecht und Artikel. Zweck und Verwendungsart dieser Unterscheidungen sind völlig fremd. Schwierigkeiten bereiten die Bestimmung des Geschlechts der deutschen Nomen wie auch die Plural- und Deklinationsveränderung von Artikel und Nomen sowie die Verwendung von definiten und indefiniten Artikeln. Es braucht somit eine grundlegende Einführung und das Auswendiglernen der Deklinationen und Geschlechter der einzelnen Nomen.

  • Das Fehlen von Konjugations- und Zeitformen bei den chinesischen Verben führt zu erheblichen Problemen beim Deutscherwerb. Hier werden auch die meisten Fehler gemacht. Unbekannt sind im Chinesischen sodann reflexive Verben, z. B. «sich befinden», was zu Fehlern wie «sie befindet in Wien» führen kann.

Deine Sprache – meine Sprache

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«Deine Sprache – meine Sprache» möchte zur interkulturellen Verständigung bei der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen beitragen. Es bietet einen gut verständlichen Einblick in die Struktur und Eigenheiten der 20 häufigsten Migrationssprachen in der Schweiz und in die mit ihnen verbundenen Schwierigkeiten beim Deutscherwerb. 

Besuch vom kleinen Wolf

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Dieses interkulturelle Bilderbuch für Kinder von 4 bis 8 Jahren erzählt die Geschichte vom kleinen Wolf, der sich an einem Sonntag in einen Kindergarten schleicht, in acht Sprachen: Deutsch, Französisch, Italienisch, Albanisch, Portugiesisch, Serbisch, Tamilisch und Türkisch. Weitere 22 Sprachen sind als PDF auf www.lmvz.ch erhältlich.


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